Von Michael Schuh

Michel ist Redakteur bei laut.de und Chef des Redaktionsradios laut.fm/eins
8. Oktober 2018

10 Jahre Spotify: Die Geburt des Streamings  

  • Digitale Revolution mitten im iTunes-Zeitalter 
  • 61 Prozent der deutschen Jugendlichen bezahlen für Streams
  • laut.fm heute auf Platz 2 hinter dem Marktführer

10 Jahre Spotify: Wie weit 2008 von heute entfernt ist, lässt sich schon an den großen Hits jenes Jahres ablesen: Die Mark Ronson-/Amy Winehouse-Kollabo "Valerie", "I Kissed A Girl" von der US-Newcomerin Katy Perry sowie der animierte Jamba-Klingelton-Hase Schnuffel ("Kuschel-Song") dominierten die Charts. Auch das Internet hatte noch ein anderes Gesicht: Die beliebteste Social Media-Plattform hieß immer noch MySpace, auch wenn der Konkurrent Facebook in immer größeren Schritten heran schlich. Musik im Netz hörte man in Form von Downloads, vorwiegend auf iTunes und die Musikindustrie sah sich diesem anarchischen Treiben hilflos ausgesetzt.

Mittenrein in diese Digital-Steinzeit trat das schwedische Unternehmen Spotify, das am 7. Oktober 2008 zeitgleich in einigen Ländern Europas online ging und eine Streaming-Revolution antrat (Deutschland musste sich allerdings noch bis 2012 gedulden). Möglich wurde diese aus heutiger Sicht digitale Musik-Revolution vor allem durch die Tatsache, dass sich Spotify-Chef Daniel Ek mit allen großen Plattenfirmen über die Lizenzen der Musik ihrer Künstler einigen konnte.

Heute verfügt der populäre Streamingdienst über 83 Millionen zahlende User (Premium-Modell) bei 180 Millionen aktiven Nutzern und bietet ihnen eine Auswahl an 35 Millionen Songs an. Zum Vergleich: 2012 erklärten sich drei Millionen Abonnenten bereit, für 9,99 Euro pro Monat auf den werbefreien Spotify-Katalog zuzugreifen, der seinerzeit immerhin 16 Millionen Songs im Sortiment hatte. Rund 100 Millionen Menschen hören über das Gratisangebot Musik und bekommen zwischen den Songs Werbung eingespielt.

Eine Welt ohne Streaming ist heute nicht mehr vorstellbar: Einer aktuellen Studie des Dachverbandes des Bundesverbandes Musikindustrie (IFPI) zufolge nutzen weltweit 86 Prozent Musikkonsumenten On-Demand-Dienste. Die jüngere Altersklasse stellt die aktivsten Streamer, bei den 16- bis 24-Jährigen nutzen 57 Prozent einen kostenpflichtigen Streamingdienst, in Deutschland sind es sogar 61 Prozent. 66 Prozent der Befragten hören Musik vor allem im Auto, in Deutschland sind es sogar 77 Prozent.

    Spotify (noch) vor laut.fm ;)

    © ma 2018 IP Audio

    Gleichwohl: Die Idee, Musikabos zu verkaufen, also Musikdateien von großen Datenbanken im Internet abzurufen, wurde nicht in Schweden geboren. Der Filesharing-Pionier Napster, 2001 mit rund 25 Millionen Nutzern die erste Musikanlaufstelle im Netz, stellte sich nach dem Konkurs im Folgejahr als Online-Musikdienst neu auf. Ab 2005 bot die einst illegale MP3-Tauschbörse ähnlich wie Digitalmusik-Marktführer iTunes Songs zum Preis von 99 Cent als Download an, setzte aber auch Hoffnung in die Idee, Musik an Kunden "auszuleihen", wie man den neuartigen Streaming-Begriff den Menschen damals noch anschaulich machen musste.

    Für 9,95 Euro im Monat erhielt der Musik-Fan damals schon Zugriff auf 1,5 Millionen Musikstücke. Mit kurzzeitigem Erfolg: Im ersten Jahr bezogen 300.000 Hörer bei Napster über 130 Millionen Tracks in Form von Streams und Downloads. Es war eine Phase des technologischen Umbruchs: Um die eigene Haut zu retten erfand die Musikindustrie das digitale Rechtemanagement (kurz DRM). Diese geschützten Dateien im WMA-Format von Microsoft verwalteten Kopier- und Abspielrechte und sollten vor unerlaubter Vervielfältigung schützen. Eine Idee, die letztlich an der Akzeptanz der Konsumenten sowie an datenschutzrechtlichen Bedenken scheiterte.

      Evolution

      So sah das Spotify-Logo von 2008 bis 2012 aus.
      © Spotify

      Rasanter Aufstieg dank Apples iPhone

      Und es spielte Spotify in die Karten: Der Dienst startete sofort mit einer funktionalen App für Handys und Tablets. Perfektes Timing: das iPhone von Apple als mobiles Endgerät versetzte dem Streaming-Hype einen enormen Schub. Die Internet-Community ahnte nun, dass es vielleicht praktischere Wege für den Musikgenuss gibt als den eigenen iPod mit 32 Gigabyte MP3-Files zuzuknallen.

      Hinzu kam der Ausbau des mobilen Internets. Daten konnten nun über das Internet übertragen werden, ohne dass wie früher eine Speicherung der Musikdateien notwendig wurde. Konkurrenz wie Rhapsody, Napster und Pandora ließ das schwedische Unternehmen rasch hinter sich. Dafür traten über die Jahre neue Konkurrenten im Streamingmarkt auf, etwa Tidal oder Apples Beats Music. Seit dem Spotify-Start ist Drake der weltweit beliebteste Künstler, gefolgt von Ed Sheeran und Eminem. Der erste Deutschrapper, der eine Milliarde Streams verzeichnen konnte, ist RAF Camora (nach Veröffentlichung des Albums "Palmen aus Plastik 2" mit Bonez MC).

        Podcasts bei Spotify

        Im Frühjahr 2016 wechselten Schulz & Böhmermann mit ihrem Fest & Flauschig-Podcast zu Spotify.
        © Spotify

        Auch Thom Yorke kann sich mal irren 

        Von Künstlerseite hagelte es jahrelang Kritik am Streaming-Modell aufgrund angeblich lächerlich geringer Tantiemenauszahlungen. Seither machte Daniel Ek die Spotify-Kostenstrukturen zunehmend öffentlich und wies medienwirksam darauf hin, dass sein Dienst 70 Prozent der Einnahmen an die Künstler weiterleite. Mit Erfolg: Thom Yorke nannte den Dienst 2013 in Anspielung auf dessen Einigung mit allen Majorlabels zwar noch den "letzten verzweifelten Furz einer Leiche".

        Vier Jahre später durften die Schweden seine Soloalben sowie alle Radiohead-Platten dennoch in ihren Katalog aufnehmen. Erst vor kurzem kapitulierten auch die lange streamingfeindlichen Die Ärzte vor der Macht des technischen Fortschritts, wenn auch mit nachgeschobener Erläuterung: "Da uns die Schönheit und Haptik unserer Werke nach wie vor am Herzen liegt, wird es natürlich weiterhin CDs und Vinylplatten geben." Zum zehnjährigen Jubiläum verriet Spotify außerdem, dass man in dieser Zeitspanne zehn Milliarden Euro an die Rechteinhaber ausgezahlt habe. 

        Noch älter als Spotify ist übrigens unser User Generated Radio laut.fm, das diesen unruhigen Zeitenwandel ebenfalls heil überstanden hat. Konnten 2008 noch rund 25.000 Hörer aus 400 Stationen auf laut.fm wählen, sind es heute eine Million Hörer und 5000 Sender. Maßgeblich für das stetige Interesse an laut.fm war auch hier unsere früh im iTunes-Store verfügbare Gratis-App. 2015, der Social Community-Riese last.fm stellte gerade seinen Radiostream ein, konnte sich laut.fm erstmals vor etablierten Radiomarken wie Antenne Bayern, Hit Radio FFH und der WDR-Jugendwelle 1Live als meistgehörtes Onlineradio Deutschlands platzieren. Mit mehr als neun Millionen Sessions im Monat belegt laut.fm bei den Personal Radios und User Generated Radios hinter Spotify (100. Mio. Sessions/Monat) Platz zwei.

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