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Von Eberhard Dobler

Redakteur bei laut.de
17. Mai 2017

Crossover - der Sound der 90er

  • Die Ahnen von Funkrock und Rap-Metal
  • Der Startschuss der Red Hot Chili Peppers
  • Rap und Country, Metal und Rap - nichts ist unmöglich

"Ich erinnere mich, dass ich "Blood Sugar Sex Magik" mit 16 bekam. Ich spielte seit sechs Jahren Schlagzeug und machte mit Neil Peart die ersten Schritte im Progressive Rock, mit Lars Ulrich im Metal und mit John Bonham im Classic Rock. Das Chili Peppers-Album hatte jedoch etwas Neues, von dem ich nicht genug bekam." (Rich Lackowksi, Drummer und Autor)

Ein aufschlussreiches Zitat zur wohl wichtigsten Platte der Red Hot Chili Peppers von 1991. Denn die Kalifornier fallen vielen als Erste ein, denkt man an Crossover. Gemeint ist damit eigentlich Neues im Sinne der Fusion verschiedener Genres. Doch meist assoziiert man schlicht Funkrock, Funkmetal oder die Fusion von Rap und Rock bzw. Rapmetal. Letzteres prügelt etwa Body Count noch heute vor, die Band des Gangsta-Rappers Ice-T. 

Was ist Crossover?


Dabei könnte Crossover alles sein - selbst die Verquirlung von Klassik und Techno. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf die besagte populärste Variante, die ihren ersten Peak in den frühen 90ern feiert, als Bands wie die Red Hot Chili Peppers, Rage Against The Machine, Faith No More oder die Beastie Boys Crossover in die Weltkarte der populären Musik betonieren.

Gleichwohl bleibt die Definition schwierig: Denn beileibe nicht alle Acts, denen man den Stempel aufdrückt, bringen in ihrem Lineup Rapper, Gitarrist, DJ und Drummer zusammen, wie es damals etwa Urban Dance Squad machen - die Holländer stellen Crossover sozusagen auch optisch auf die Bühne. 

Crossover und New Metal - dasselbe Prinzip

Crossover hat als Genre nicht nur Freunde, "Funkgedudel" heißt es zuweilen abfällig. Manche Bands wie Faith No More, die man dazu noch gerne bei Funkmetal ablegt, distanzieren sich im Laufe ihrer Karriere von derlei Schubladen. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich nicht in einer Liga mit ihren Erben Korn, Limp Bizkit, Slipknot oder Linkin Park sehen, die ab der zweiten Hälfte der 90er - jetzt unter dem Label New Metal - erneut die Welt erobern.

Letztlich fasst man Crossover und New Metal, wie eingangs angedeutet, am besten so: Man nehme Rock oder Metal, gebe wahlweise Alternative, Punk, Funk, Hip Hop, Reggae, Jazz, Electronics oder was auch immer hinzu und mische in beliebiger Dosis ab. Weitere Beispiele: Bei Ministry oder Fear Factory nennt man es Industrialmetal, bei Living Colour Funkmetal. Skindred bringen Metal und Reggae zusammen, Kid Rock wiederum garniert seinen Rap-Rock in späteren Jahren mit Country. 

    Blood Sugar Sex Magik!

    Dieses Album der Red Hot Chili Peppers muss man kennen.
    © Warner

    Soulfly, die Sepultura-Nachfolgeband, reichert ihre Thrash-Roots auf einem einzigen Album mit Pop, Dub, Weltmusik oder Hip Hop an. (hed) P.E. sehen sich zwischen Hardcore, Punk und Hip Hop. Kein Wunder, dass im Laufe der Jahre mannigfaltige stilistische Unterbegriffe wie Groovemetal kursieren, die alle im selben Dunstkreis fischen, zuweilen Ähnliches meinen und doch Unterschiedliches beschreiben.

    Eine Mini-History: Crossover und New Metal

    Da hilft nur eines: selber reinhören. Am Anfang der kommerziellen Relevanz steht recht offensichtlich die Aerosmith/Run D.M.C.-Kollabo "Walk This Way" (1986). Im selben Jahr hauen die Beastie Boys mit Rick Rubin ihr Rabauken-Album "Licensed To Ill" raus. Anthrax und Public Enemy langen 1991 eisenhart  hin: "Bring Da Noize" - die Ohren der Puristen dürften geblutet haben. 1993 folgt der Soundtrack zum Hollywood-Streifen "Judgment Night", der auf kompletter Albumlänge verschiedene Rap- und Rock/Metalacts für jeweils einen Song zusammenbringt, etwa Helmet und House Of Pain, Cypress Hill und Sonic Youth oder Faith No More und Boo-Yaa T.R.I.B.E. - wer nach dieser Platte noch behauptet, bei Crossover handele es sich um Funkgedudel, hat nichts begriffen.

    Sind wir nicht alle ein bisschen Crossover? 

    "Die goldene Ära - die Neunziger - ist leider vorbei", meint zwar ein nostalgisch aufgelegter Jonathan Davis (Korn) vor wenigen Jahren im laut.de-Interview. Gleichwohl lebt der Kreuzübergedanke weiter. Pharrell Williams veröffentlicht mit seiner Hip/Hop-Funkrock-Band N.E.R.D zwischen 2004 und 2010 vier starke Platten. 2014 kollaboriert die Mathcore-Truppe The Dillinger Escape Plan mit Rapper Jarren Benton. Bereits 2004 legen Jay-Z und Rick Rubin den Classic "99 Problems" vor, eine Rap/Rock-Fusion in Reinkultur. Im selben Jahr erscheint ein komplettes Kollabo-Album des Jiggas mit Linkin Park - "Collison Course". Welcher Albumtitel könnte das Prinzip Crossover wohl besser symbolisieren? 

    Die besten Crossover-Sender auf laut.fm


    Natürlich sind die meisten der genannten Bands irgendwo in den unendlichen Weiten von laut.fm zu finden. Aber ein reiner Crossover- oder Rapmetal-Sender? Man kuratiert lieber nach Genres getrennt. Was auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass Nachschub in diesem Bereich die Ausnahme bleibt. Trotzdem gibt es ein paar Stationen, die zum Einstieg ins Thema taugen, gleichwohl sie meist von der Gitarrenseite her gedacht sind!

    Die Auswahl

    Full Crossover (laut.fm/full_crossover)

    Der erste Suchtreffer beim Stichwort 'Crossover'. Kann man stehen lassen, denn auch bei weitester Definition des Genres findet sich hier viel: Von Stone Sour, Deftones oder Crazy Town und Dog Eat Dog bis hin zu den H-Blockx und Such A Surge, beides Speerspitzen der deutschen Crossover-Welle in den 90ern. Checkt die auf seinem Profil verlinkte Songliste: Die ist zwar veraltet, featured aber eine Menge der eingangs erwähnten Bands.

      born79 (laut.fm/born79)

      "born79" lässt harte Gitarrengrooves sprechen: Limp Bizkit, System Of A Down, RATM, Korn oder die Peppers und Primus. DJ Bauer aus Recklinghausen sollte mit diesem Special etwas anfangen können. Dazu Clawfinger, der Rapmetal-Act aus Schweden, und der Stationsname? Man darf doch annehmen: Dieser Mann hat die goldene Ära live miterlebt. Im Sendeplan sollte man bei "independent generation" fündig werden.

      Alpaka-Beach-Radio (laut.fm/alpaka-beach-radio)

      Bunt, bunter, Crossover! Die Damen und Herren der Beachhalle in Ailing nahe München haben nun wirklich für jeden was im Angebot. Bilderbuch sind vielleicht nicht ganz so Crossover wie einer der meist gespielten Titel ihres Radios: "Another Body Murdered" von Faith No More und Boo-Yaa T.R.I.B.E. ("Judgment Night"-Soundtrack). So bunt die Playlist (Alternative, Hip Hop, Rock, Reggae, Electronics etc.), so vielseitig das Angebot ihrer Eventlocation. Check this out: http://laut.fm/alpaka-beach-radio

        Geraeuschtapete (laut.fm/geraeuschtapete)

        "A fancy bunch of songs" beschreibt der DJ aus Chemnitz sein Programm  "Geraeuschtapete". Right, groovt nämlich über einige Genres hinweg und ist drum im besten Sinne Crossover. Der Blick auf den Sendeplan sagt: "Rocken, bis die Ohren bluten" ist unser Programmfenster - mit Red Hot Chili Peppers, Incubus Urban Dance Squad, Jane's Addiction etc.

          Kontakt

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