Bild: laut.de
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Von Eberhard Dobler
Redakteur beim Musikmagazin laut.de
19. Juli 2017
Alternative-Rock und Indie-Rock - wo liegt der Unterschied? Gibt es überhaupt einen? Sicher ist, beide Oberbegriffe meinen in Abgrenzung zum Mainstreamrock meist Gitarren-basierte Bands. Allerdings, und das macht die Sache schnell unübersichtlich, durchaus abhängig davon, von wo die Acts stammen bzw. aus welcher Zeitperiode. Zuweilen werden die Genrebezeichnungen auch synonym verwendet.
So verortet man den Begriff Indie anfangs in die 80er, während man von Alternative vor allem in den 90ern spricht. Andererseits denkt man bei Indie oft an britische Acts und bezieht Alternative auf US-Bands. Manche unterscheiden bei Indie für die 80er auch zwischen US-Schrammelrock à la Dinosaur Jr und dem britischen Indiepop von The Smiths. Für andere wiederum waren The Smiths eine Rockband. Die Grenzen verschwimmen wie so oft in der populären Musik.
Die Geschichte von Alternative/Independent beginnt in den 70ern. Independent meint zu dieser Zeit kleine Plattenfirmen, die unabhängig von großen Musikmultis operieren. Exemplarisch steht das britische Label Rough Trade: Geoff Travis eröffnet 1976 einen Schallplattenladen in London. Als immer mehr Musiker Demobänder vorbei bringen, gründet er ein Label. Eine der wichtigsten Rough Trade-Bands werden The Smiths. Im Zuge des Erfolgs von Punk und New Wave steigt die Zahl der Indies besonders in Großbritannien an. In Deutschland veröffentlichen beispielsweise Ton Steine Scherben auf einem Indielabel.
Die zentrale Schwachstelle der kleinen Firmen bleibt der Vertrieb. Um Singles und LPs unters Volk bringen zu können, ist man zumeist auf Deals mit Majorlabels oder unabhängigen Vertrieben angewiesen. Als die Indielabels in den 90ern unter starken wirtschaftlichen Druck geraten, ist Independent längst zur Genrebezeichnung für britische Alternativebands wie The Cure ausgeweitet worden. In den USA macht in den 80ern weniger Indie, sondern der Begriff Collegerock die Runde. Dieser rekuriert auf die Rock-, Postpunk-Bands, die in den Campusradios zu hören sind. Ein Vorläufer dieser alternativen Musikbewegung sind seit Ende der 70er z. B. die Hardcore-Szenen von San Francisco, Los Angeles oder Washington D.C.
Nirvana als Türöffner in den Mainstream
Das Cover des Erfolgsalbums "Nevermind".
© Universal
Was in den 70ern Luft holt, stößt in den späten 80ern und frühen 90ern so richtig in den Mainstream vor. Die Gegenkultur ist teilweise selbst zum kommerziellen Faktor geworden: Bands wie R.E.M. und U2, später Nirvana und Pearl Jam oder Oasis und Blur ergattern Majordeals, verfügen über riesige Fanbases und touren rund um die Welt. Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" (1991) gilt als Türöffner für aggressiven Rock in kommerziellen Radios. In dieser Zeit ist die Bezeichnung Alternativerock in aller Munde. Eine Band wie The Smashing Pumpkins verkauft mit Metal-, Prog- und Psychedelic-beeinflusstem Rock Millionen von Platten (etwa "Siamese Dream" von 1993) und sind auch in den Charts präsent. Erfolgreiche Produzenten wie Rick Rubin oder Butch Vig treten ebenfalls aus der Anonymität heraus.
MTV reagiert 1992 auf den Hype mit einem TV-Format namens "Alternative Nation". Jedes Majorlabel habe eine Handvoll krachender Gitarrenbands unter Vertrag, schreibt die NYT 1993 sinngemäß. In Großbritannien bleibt gleichwohl der Britrock bzw. Britpop das Maß der Dinge. In dieser Zeit gehen auch heute riesige Alternative-Festivals an den Start. In Deutschland folgt später etwa das Doppelfestival Hurricane/Southside. Trotzdem sehen in den USA nicht wenige Bands die Kommerzialisierung kritisch und fühlen sich weiterhin eher dem Punkrock-Gedanken verpflichtet: Fugazi, Pavement oder Sleater-Kinney bleiben in diesem Sinne Indie.
Mit dem Selbstmord Kurt Cobains 1994 beginnt der Hype abzukühlen. In Großbritannien überschreiten Oasis ihren Zenit in der zweiten Hälfte der 90er ebenfalls, Bands wie Radiohead, Coldplay und Muse geben jetzt den Ton an. In den Staaten pausiert 1998 das legendäre Lollapalooza Festival, dessen Geschichte die Alternativemusik-Szene seit Beginn der 90er begleitet: Es findet sich kein geeigneter Headliner. Natürlich bleiben die seit den 80ern etablierten Big Player der Alternative-Mainstream-Szene weiterhin erfolgreich.
In den Nullerjahren hauchen Acts wie The Strokes oder The White Stripes dem Genre neues Leben ein. Bands wie Franz Ferdinand, Interpol, The Rapture, The Hives, The Vines oder Arctic Monkeys definieren alternative Gitarrenmusik unterschiedlich neu und verhelfen dem Genre erneut zu Popularität. Die Begriffe Alternative- und Indierock bezeichnen nun auch einfach Neues, Modernes und werden nicht selten synonym verwendet.
Lollapalooza - die Mutter aller Indie-Festivals
© Lollapalooza
Ein wichtiger Unterschied zum klassischen Mainstream: In den Lyrics der alternativen Acts kommen auch Themen wie Drogenkonsum, Depressionen oder andere persönliche Probleme zur Sprache - die heile Welt war nie diejenige des Undergrounds. Gleichzeitig differenziert sich das Alternative/Indie-Segment im Laufe der Zeit immer weiter aus: Grunge, Britrock, Gothicrock, Noiserock, Shoegaze, Noisepop, Indiepop, Alternativepop, Industrialrock, Lo-Fi, Post-Grunge, Post-Rock, Post-Punk, Progrock, Artrock, Mathrock, Emorock, Emocore usw. - Stilbeschreibungen noch und nöcher. Wo soll man da die Grenzen von Alternative- und Indierock ziehen?
Zwar spricht man mittlerweile auch von Indie-Hip Hop oder Alternative-Electronica (auch in anderen Genres unterscheidet man zwischen Mainstream und Underground), doch steht wie eingangs erwähnt meist die Gitarre im Mittelpunkt. Vielleicht könnte man sagen, dass heute unter Alternativerock eher jene Bands gefasst werden, die härter und aggressiv klingen, während man im Indierock Acts findet, die auch von Pop, Folk etc. beeinflusst sind.
Die Begriffe Alternative und Independent bleiben auf Rockmusik bezogen trotzdem wiedersprüchlich. Einerseits assoziert man ein antikommerzielles Moment, eine Art Gegenpol zur etablierten Unterhaltungsmaschinerie. Gleichzeitig wird Rockmusik unter diesen Begriffen erfolgreich vermarktet, man denke an die Foo Fighters oder die Red Hot Chili Peppers. Und so gibt es wohl immer zwei Alternativerock-Szenen: den Alternative-Mainstream im Spotlight und die im Underground verhaftete Indieszene.
Mit den neuen Distributionskanäle im Web und Web 2.0 erleben nun viele Indie/Alternative-Bands das nächste Level. Ganz im Sinne des DIY-Gedanken können sich Musiker gänzlich unabhängig promoten. Fluch und Segen zugleich: Denn wie soll man heutzutage aus dem Überangebot im globalen Dorf bloß herausragen? Sehen wir es als Chance und pflichten Dave Grohl bei. Der antwortete vor einigen Jahren in einem Interview so schön: "Rock soll tot sein? Für dich vielleicht. Ich finde, er ist verdammt lebendig!".
Was der Ex-Nirvana-Trommler und Foo Fighters-Boss sagt, gilt erst recht für laut.fm: Alternative- und Indierock sind in ihrer Vielfalt quicklebendig. Frei nach dem Motto 'ein Song sagt mehr als tausend Worte' gibt es nicht wenige Stationen, die die richtigen Bands spielen. Eine kleine Auswahl:
Für Einsteiger bzw. wem angesichts der Masse an Bands und Style der Helm kreist: Der 'DJ mit Hut' hilft! Um es in seinen Worten zu sagen: “Indieperlen, Alternative Rock, Hits, Raritäten, der neueste Scheiß und der Soundtrack deiner Jugend. Garantiert frei von Justin Bieber“.
Auch der Stationsname legt nahe, wohin die Reise geht: Von The Strokes über The Black Keys, Foals bis Foo Fighters, Maximo Park und Modest Mouse, aber auch deutsche Acts wie Kettcar oder Kilians. Im Raum Frankfurt und Rhein-Main könnt ihr den Mann sogar für euren eigenen Event buchen - von Indiepop bis Alternativerock. Wenns sein muss, kredenzt er auch andere Genres.
In verschiedener Hinsicht tiefer greift ein DJ-Team aus dem Raum Hannover/Osnabrück in die Plattenkiste: Alternativeworld geht einerseits in der Timeline weiter zurück (bis in die 70er-Jahre) und fördert gleichzeitig unbekanntere Namen zu Tage.
Daneben bieten die Herren bieten einen interessanten geografischen Schwerpunkt: 'The Celtic Rim - Indie aus Irland, Schottland und Wales'. Neuheiten spielen sie obendrauf. Dabei versteht man sich als Karma- nicht Geschmackspolizei. Pixies, The Smashing Pumpkins, Sonic Youth, Pavement, The Breeders, The Jesus And Mary Chain, Blur, Afghan Whigs, Buzzcocks, Nada Surf - für den fortgeschrittenen Indie-Hörer.
The world won't listen – tolles Bild in Sachen Indie/Alternative, oder? Der DJ verortet sich in Hannover und Liverpool und geht logischerweise bis in die 60er zurück. Natürlich geben vor allem Acts von den Inseln den Ton an: Oasis, The Smiths, U2, Manic Street Preachers, Radiohead, Cocteau Twins oder The Stone Roses.
Aber auch wichtige US-Bands wie R.E.M. Nirvana, Elliott Smith und die Smashing Pumpkins sind präsent. Die Ramones und sogar Wir Sind Helden haben ebenfalls Platz. "Going Underground" rocken hier z. B. The Jam - die Geschmackssicherheit des Radiomachers wird in den Kommentaren geadelt.
Die deutsche Palette von Indierock und Alternative bedient Krautland aus Konstanz, was selbstredend Lob in den Kommentaren nach sich zieht. Logisch, schließlich gedeiht in den deutschsprachigen Ländern doch seit Jahrzehnten astreine Musik mit deutschen Texten abseits des Mainstreamradios.
Stilistisch reicht das von Electronic bis Punkrock: Die Sterne, Bilderbuch, Egotronic, Von Wegen Lisbeth, Tocotronic, Anajo, Sport, Peter Licht, Blumfeld, Schnipo Schranke, Antilopen Gang. Da können kleinere Bildungslücken geschlossen werden.
Hier wird in den Kommentaren noch über Musik diskutiert. Denn wer kaum bekannte Acts entdecken möchte, sollte diese Station checken.
In Sachen Individualität muss man es dem in Österreich beheimateten Radio erst mal nachmachen. Aber natürlich laufen auch gestandene Genrelieblinge wie Death Cab For Cutie, Band Of Horses, Twenty One Pilots oder The National. Mit Liebe kuratiert. Tipps werden trotzdem entgegen genommen.
Im Alternative-Radio läuft vor allem Indie. Aggressive, harte Acts werden im Gegensatz zu Pop und Folk eher ausgespart.Im Alternative-Radio läuft vor allem Indie. Aggressive, harte Acts werden im Gegensatz zu Pop und Folk eher ausgespart.
Der DJ aus Braunschweig hat auch elektronisch orientierte Bands im Programm. Chvrches, Digitalism, Ian Brown, Crystal Fighters oder Twin Shadow. Dazu The Wombats, Two Door Cinema Club, Florence + The Machine, Woodkid, Darwin Deez oder The Kooks. Ihr wisst Bescheid.
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