Dani Fromm von laut.de

Von Dani Fromm

Black Music-Expertin beim Musikmagazin laut.de
27. Februar 2017

Die besten Soul-Radio-Sender

  • Northern Soul, Rare Soul, Breakfast Jazz - oder doch mehr Funk, Disco, Rythm & Blues?
  • Wo laufen die Hits von Nina Simone, Marvin Gaye, Billie Holliday, Otis Redding, James Brown und den Supremes?
  • Gute Soul-Musik im Radio hören: easy like sunday morning

„Such‘ doch mal die besten Soul-Sender bei laut.fm aus“, sagt der Chef. So im Vorbeigehen. Bis gestern, versteht sich. Wie zum Henker ich das entscheiden, wonach ich gewichten soll: kein Plan. Was macht überhaupt einen „guten Soul-Sender“ aus? Guter Soul, könnte man meinen. Ach!

Was ist guter Soul?

Soul ist im Grunde immer sofort gut, sobald er sich seine Genrebezeichnung verdient. Eine Musikrichtung, die die Seele, die Beseeltheit, schon im Namen führt, wer sollte sie hassen? Wer könnte? Wer ein fühlendes Herz hat, dem hat die Natur eine Antenne für den Soul gleich ab Werk mit eingebaut. Im Soul steckt die pure Liebe mit all ihren Facetten. Ihre zauberschönen Seiten finden hier ihre musikalische Entsprechung, aber auch die finstersten Abgründe, in die einen die Liebe befördern kann, mit einem Tritt, einem Wort, einem Blick - oder eben keinem Wort oder keinem Blick. Autsch. Nirgends leiden Menschen, ganz und gar fühlende Wesen, mit theatralischerer, ausladenderer Geste als im Soul. Nirgends jauchzen die Herzen höher. (Okay, vielleicht im Gospel, aber dort kennen sie sich ja auch aus mit der Seele, das sind ja dann auch wieder Lovesongs, nur eben zu Ehren des Allmächtigen.)

»Soul ist Liebe, Funk ist Sex«

Ohnehin wurzelt Soul im Gospel, besitzt neben der spirituellen aber auch eine im wahrsten Wortsinn erdige Seite: Wie der Blues, wie nahezu jede schwarze Musikrichtung keimte auch der Soul auf den Baumwollfeldern der amerikanischen Südstaaten, wo sich das Leid der ihrer Heimat entrissenen, versklavten, geschundenen Seelen eine Stimme suchte. Spätestens seit Marvin Gaye nach dem viel zu frühen Tod seiner Duettpartnerin Tammi Terrell seinem Labelboss erklärte, er habe keine Lust mehr, bestens verkäufliche, aber gehaltlose nette Liedchen zu singen, in denen sich "moon" auf "june" reime, und sich das, worauf er noch Lust hatte, in seinem bahnbrechenden Album "What's Going On" manifestierte, liegt die politische Komponente des Genres wieder offen auf der Hand: Soul Power liefert nicht umsonst den musikalischen Treibstoff der Black Power-Bewegung. Wer daran zweifelt, hat Nina Simone niemals "Mississippi Goddamn" anstimmen hören, oder Billie Holliday "Strange Fruit". Brrr, da wird es aber eisekalt und rabenfinster.

Nina Simone

Nina Simone

Streetart in Berlin-Kreuzberg 2016
Foto: Jeanne Menj

Beide Damen führen ganz nebenbei die Berührungspunkte von Soul mit Jazz vor Augen. Auch, wenn sich Jazz gerne elitärer, abgehobener, intellektueller gibt: Der Geist braucht eben auch einen Körper zum Drinwohnen. Um den kümmert sich dann der Soul. Und der Funk, natürlich. Die beiden Genres treten ohnehin gern wirkungsvoll im Doppelpack auf. Soul ist Liebe, Funk ist Sex - und am gewinnbringendsten für alle Beteiligten wirkt noch immer beides zusammen.

Was ist ein guter Soul-Sender?

"Guten Soul" zu erkennen: easy like sunday morning. Dazu brauchst du Ohren und ein offenes Herz, weiter nix. Berührt es dich, dann ist es gut. Doch was soll ein "guter Soul-Sender" sein? Laufen dort die unsterblichen Hits der ikonischen Künstler, die jeder kennt? Ist eine Station, die "Sexual Healing" einem vertrauten Heuler der Jackson 5 hinterherschickt und sich danach zu Otis Redding on the dock of the bay setzt, "besser", weil ich von vorne bis hinten mitsingen, mitschmachten, mit dahinschmelzen kann, ohne mir groß Gedanken machen zu müssen, was ich da eigentlich höre? Hits sind ja meist nicht ohne Grund welche geworden.

Ist ein anderer Sender "besser", weil er etwas tiefer in der Historie schürft, weniger präsente (passionierten Soul-Brüdern und -Schwestern aber natürlich ebenfalls bekannte) Perlen zutage fördert? Einer, der um die Qualitäten von William Bell, Betty Wright oder Gloria Jones weiß? Was ist dann mit einer Station, deren Betreiber das wirklich, wirklich rare Zeug ausgraben? Sachen, die keine Sau kennt, von nerdy Kennern auf irgendwelchen verstaubten Vinylplatten entdeckt, hingebungsvoll von Hand digitalisiert und der eigenen Hörerschaft zugänglich gemacht? Ist nicht der allerbeste Sender einer, der neue Horizonte öffnet, jenseits der Flaggschiff-Label Motown und Stax?

Nächste Frage: Wie sollte ich einen solchen finden? Nun, zumindest das entpuppt sich als das geringste Problem. "Alexa, spiel' Soul von laut.fm!" Die Suche nach Soul spuckt etwas weniger als zweihundert Stationen aus, die das Genre in ihrer Programmbeschreibung führen. Nimmt man zusätzlich den, wie gesagt, artverwandten Funk dazu, verlängert das die Liste noch einmal deutlich. Mit Disco, Rhythm & Blues und Gospel, allesamt Genres mit riesigen Überlappungen mit dem Soul, hab' ich noch gar nicht angefangen. Zweifellos birgt das Angebot jede Menge Qualität.

Die Auswahl

Doch wie soll man da aussuchen? Und wenn ich - wie gesagt: gar kein Problem - einen tollen Sender herausgepickt habe, woher soll ich wissen, ob hinter der nächsten Ecke, dem nächsten Klick, dem nächsten "Alexa, weiter!" nicht noch ein viel tollerer lauert? "Such' doch mal die besten Soul-Sender aus." Alles klar, Chef. Dann hör' ich jetzt halt Soul. Bei laut.fm. Man könnte sich ein härteres Schicksal vorstellen, let's get it on. Wo fang' ich an? Am besten immer noch vor der eigenen Haustür:

Soulbetty (laut.fm/soulbetty)

Wenn die Expertise nebenan wohnt, muss man sich die zunutze machen: Kollege Sven Kabelitz, beileibe nicht nur der Rotzmeister im Hause laut.de, sondern in erster Linie der zuständige Autor für Soul-, Funk- und Disco-Themen, betreibt seine Station Soulbetty nun schon seit vielen Jahren. Sehr schön: Die zufällige Stippvisite räumt gleich mit dem Irrglauben auf, Soul ohne Vocals gebe es nicht. Ich schalte ein bei der Phillysound-Hymne "Love Is The Message" (Sagte ichs bereits?) von MFSB, im Anschluss läuft "65 Bars And A Taste Of Soul" von Charles Wright und der Watts 103rd Street Rythm Band. Beide Tracks instrumental, beide groovy as fuck. Es geht durchaus ohne Gesang, mit aber auch: Auf Soulbetty laufen James Brown, Stevie Wonder, Gil Scott-Heron, Michael Jackson, Isaac Hayes, Bootsy Collins, Herbie Hancock, Nina Simone und Marvin Gaye, aber auch Prince, D'Angelo, Bobby Womack, Sharon Jones, Aloe Blacc und Michael Kiwanuka.

Sven Kabelitz spielt den alten und den neuen Scheiß, bekannte Gassenhauer und Geheimtipps. Wer besonders auf Frauenstimmen steht, sollte seinen Sender ohnehin im Blick behalten: Der Gastgeber steckt zudem hinter dem Projekt "Die Frau in der Musik", das Künstlerinnen und vorwiegend weiblich besetzte Bands ins Rampenlicht rückt. Das läuft bereits seit einiger Zeit und hat inzwischen den Sprung auf laut.de geschafft. Der erste Teil der monatlichen Reihe beschäftigte sich mit Frauen im Soul und Funk. Die dort abgebildete Playlist soll sich in sehr naher Zukunft in Form einer eigenen Sendung auch auf Soulbetty wiederfinden: Soul- trifft Frauenpower.

SoulAllnighter (laut.fm/soulallnighter)

Von den zehn meistgespielten Künstlern mehr als die Hälfte weiblich: Dieses seltene Bild zeigt die Statistik von laut.fm/Soulallnighter. Hören wir doch mal! Der Name und die ganze stimmige Aufmachung des Senders verraten den Sachverstand, der dahinter steckt: der von Leif Nüske und Olaf Ott. Als Fab Boy Two veranstalten die beiden Nordlichter bereits seit 1983 ihre Veranstaltungsreihe namens - Überraschung! - Soul Allnighter. Der, munkelt man, genießt im Hamburger Flachland einen legendären Ruf als Schuhsohlen verschleißendes Tanzmonster. Erfahrungen aus mehreren Dekaden Arbeit als Veranstalter, Labelbetreiber und vor allem als DJs fließen in ihr Radioprogramm, das die Zeiträume zwischen den Partys zu überbrücken hilft.

Dass sie ihren Sender wie ihre Tanznächte "Allnighter" nennen, lässt tief blicken: Hier gibts jede Menge Northern Soul, wie in Großbritannien Ende der 60er. Die Sammelleidenschaft britischer Mods, die sich gegenseitig darin übertrumpften, immer abseitigere Soul-Künstler und -Tracks aufzutreiben, führte ein Genre zur Blüte, das aus gutem Grund auch unter dem Etikett "Rare Soul" läuft. Das Zeug ist tatsächlich rar und demzufolge größtenteils so unbekannt, dass man sich schon ungeheuer nerdish vorkommen darf, wenn jeder fünfte Name in der Playlist wenigstens ein hauchzartes Glöckchen klingeln lässt. Macht aber nix, der schlaue Bauer frisst hier besonders gerne das, was er nicht kennt. All night long, versteht sich: Dem Northern-Soul mit seinen die ganze Nacht lang dauernden Partys entstammen im Grunde die allerersten Raves. Dieses Radio taugt darüber hinaus durchaus zum Weekender und trägt danach auch gleich noch durch die ganze Arbeitswoche.

Soulfunky (laut.fm/soulfunky)

Einen Hauch vertrauter scheint es mir bei Soulfunky zuzugehen. Der Sender verspricht nicht nur Soul, Funk und Disco der letzten fünf Jahrzehnte, sondern gleich "die besten Soulballaden, funky Sounds und Disco-Tracks, die es jemals gab". Außerdem, das unterschlägt die Senderbeschreibung geflissentlich (versteh' gar nicht, warum), durchaus auch Nummern mit ordentlich Rap-Schlagseite. Davon hat man dann natürlich die eine oder andere schon das eine oder andere Mal gehört. Kann man aber auch gerne nochmal machen, und dann nochmal und nochmal. Wie schon häufiger gesagt: Hits sind oft genug nicht grundlos welche.

Soulfunky feierte gerade sein einjähriges Jubiläum, happy birthday noch nachträglich! Die Soulfunky Radio Show existiert allerdings schon doppelt so lange. Im Februar 2015 war DJ Markus Ludwig mit seinem Programm erstmals bei Antenne Sylt zu Gast. Seitdem strahlen sie seine zweistündige Show dort immer mittwochs um 19 Uhr aus. Auf laut.fm/soulfunky läuft sie selbstverständlich auch, dann allerdings freitags um 20 Uhr. Zum Zeitpunkt meiner Stichprobe allerdings ist es zehn Uhr morgens, beste Zeit für "Black Coffee". Unter diesem Banner bietet diese Station Funk und Rare Groove, extra stark und schwarz. "The music never stops", verheißt das Senderjingle.

Soulfood (laut.fm/soulfood)

Nö, es war nicht alles schlecht, in den 80ern. Mit speziell Funk und Soul im Blick, dann aber doch ... ganz schön vieles. Ich denk' da bloß an Gruseligkeiten wie Ashford & Simpsons "Solid", örks. Vor solchen Totalausfällen komplett sicher ist, wer laut.fm/soulfood wählt. Gastgeber Funk Freaker aus Stockholm schwört: "80's-free zone" - mit drei Ausrufezeichen. Rund um das verbotene Jahrzehnt herum ist aber alles drin, vor allem kennt der Sender keine Ländergrenzen: Gloria Edwards, die texanische Soul-Queen, trifft da direkt auf die Bamboos, die sich um die Jahrtausendwende in Melbourne gegründet haben. Wenn hinter Sly & The Family Stone noch unmittelbar die einzig wahre Dap-Queen Sharon Jones um die Ecke groovt, kann eh niemand mehr meckern.

Um sein Programm noch leichter verdaulich zu servieren, kredenzt Funk Freaker es aufgeteilt in drei "Main Courses", allesamt verboten funky. Als Zwischengänge trägt er Smoothies oder Latino-Grooves auf, für die Frühaufsteher - um neun Uhr morgens - führt laut.fm/soulfood Breakfast Jazz im Angebot, und Northern Soul gibts natürlich auch. Stilecht "shaken, not stirred". Das Ohr isst mit!

PineappleJuice (laut.fm/pineapplejuice)

Und weil zum Menü das passende Getränk gehört, schalten wir weiter zu PineappleJuice. Die führen unter ihren meistgespielten Künstlern zwar die Stones, Bob Dylan, Creedence Clearwater Revival und The Kinks und empfehlen sich damit vielleicht nicht auf den ersten Blick als Soul-Sender. Ist man aber erst drin, erschließt sich wirklich sofort, warum zwischen diesen ganzen Rockern auch eine Nina Simone steht und dort ganz und gar nicht verloren wirkt: Neben Garage Rock, Rock'n'Roll und Punk bietet laut.fm/pineapplejuice "Hip Shakin' Retro Sound Out Of The Garage". Will meinen: R'n'B aus den 50ern, Soul aus den 60ern, die frühesten aller frühen Funk-Tunes und allerlei rares Hüftwackel-Zeug, das man sonst nirgendwo zu hören bekommt.

Wobei "nirgendwo" nicht ganz stimmt. Es gibt ja noch dieses ominöse "richtige Leben". Wendet man sich dem zu und hält Ausschau nach einer Party, bei der ein DJ-Team mit dem herrlich bescheuerten Namen Trottels Of The Dead zum Tanz lädt, bekommt man die gleiche wüste, höllisch tanzbare Mixtur. Kein Wunder, handelt es sich bei den Trottels Of The Dead um dieselben beiden Eidgenossen, die auch das Programm von PineappleJuice füttern, mit Evergreens, aber auch mit den verschrobenen, verschrappten, vergessenen Perlen, die außer ihnen einfach kaum jemand hat. Ganz nebenbei lässt sich hier noch lernen, dass Funk und Rock im Grunde gar nicht so furchtbar unterschiedlich funktionieren.

Sonnenstudio (laut.fm/sonnenstudio)

Ich hab' mit Vetternwirtschaft angefangen, deswegen ende ich auch mit Vetternwirtschaft: Ohne Herrn Jörg Kühnel mach' ich es nicht, auf keinsten. Wir kriegen zwar beide nicht mehr rekonstruiert, wann und wo wir uns eigentlich kennengelernt haben. In den vielen, vielen Jahren, die dieser ominöse Moment jetzt schon zurückliegt, hat er mir aber nicht nur mir mit seiner Fußball-Mannschaft-starken Kapelle Dr. Wutzdog mehrfach den Verstand rausgeblasen, mir unzählige Stunden unfassbar eklektische DJ-Sets auf die Ohren gedrückt und den Inhalt meiner eigenen Plattenkoffer mit diversen, allesamt liebevoll handschriftlich gewidmeten 7"-Geschenken veredelt. Herr K. lieferte außerdem den Anlass dafür, dass ich mir einmal mit Mocky, Gonzales und Jamie Lidell ein Zugticket teilen durfte, und er hat mir leibhaftig Sharon Jones vorgestellt, wofür ich ihm irgendwann noch den letzten Rest Haut von den Händen küssen werde. Genau deswegen muss seine Station Sonnenstudio mit, in einer Liste der besten Soul-Sender.

Beim Reinschalten dudelt Duran Duran. Zum Teufel mit dir, Kühnel! Wie soll ich denn DAS jetzt noch rechtfertigen? Na, ganz einfach: Im Sonnenstudio läuft "Skin Trade" natürlich nicht im Original, sondern in einer von Larry Levan stretch-ge-mixten Version. Larry Levan wiederum, einst Resident im sagenumwobenen New Yorker Nachtclub Paradise Garage, gilt - neben Frankie Knuckles - als einflussreichster Disco- und House-Pionier. Womit wir alle fürs Sonnenstudio notwendigen Schlagworte abgefrühstückt hätten: Soul, Funk, Disco, House. Obendrein gibts hier noch ein bisschen Rap und ein Genre, von dessen Existenz ich auch von Herrn Kühnel überhaupt erst erfahren habe: Yacht Rock. Himmel, was wäre mir da sonst entgangen?!
 
Bitteschön. Die besten Soul-Sender auf laut.fm. Bevor sich jetzt jemand auf den Schlips getreten fühlt, weil seine Station an dieser Stelle nicht gelistet ist: Grämt euch nicht und grollt nicht mir. Es liegt mit 98-prozentiger Sicherheit nicht an der mangelhaften Qualität des Programms. Ich bin sicher, es warten noch jede Menge weitere beste Soul-Sender in den Weiten von laut.fm. Ich muss sie bloß erst noch finden. "Alexa, spiel' Soul von laut.fm!"

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