Dani Fromm von laut.de

Von Dani Fromm

Die einzige Redakteurin beim Musikmagazin laut.de
22. Mai 2019

The Greatest Album Of All Time

  • In einer Facebook-Gruppe treten 2.048 Alben gegeneinander an
  • 2.047 davon scheiden im KO-System aus
  • Am Ende bleibt ein Album übrig. Das Album.

Es kann nur einen geben. Eins, besser gesagt. Das eine Album, alle anderen zu knechten. Simply the best, better than all the rest. The Greatest Album Of All Time. Dieses eine Album, so die simple Theorie, müsste sich ja gegen jedes beliebige andere Album durchsetzen. Also lässt es sich ganz einfach ermitteln: per K.O.-System.

Was Sven Kabelitz auch immer auf die Schnapsidee gebracht hat: Er ist seitdem gut beschäftigt. 2.048 Longplayer hat er ausgewählt und dafür Bestenlisten und Klassiker-Rankings, aber auch Lieblingsplatten-Vorschläge aus seinem Kollegen-, Freundes- und Bekanntenkreis berücksichtigt. Die handverlesenen Werke lässt er nun auf seiner Facebook-Seite The Greatest Album Of All Time in Zweierpacks gegeneinander antreten.

Jede Abstimmung läuft 24 Stunden lang. Anfangs gab es drei Duelle täglich, zwischenzeitlich, als sich abzeichnete, wie lang das Spielchen anderenfalls dauern würde, vier Paarungen pro Tag. Das Siegeralbum rückt in die nächste Runde auf, trifft dort auf den nächsten Gegner, und immer so weiter. Bis am Ende ein Album übrig bleibt. Das eine Album. The Greatest Album Of All Time.

Warum nur?

Warum macht jemand so etwas? Fragen wir den, der es wissen muss: "Ich hab' doch auch keine Ahnung, was das soll", so ein vom eigenen Aktionismus überrumpelter Sven Kabelitz. "Weil ich bescheuert bin, wahrscheinlich. Weil ich mir gerne sinnlose Projekte ans Bein binde, die ein Jahr und länger dauern. Und weil es dem Charles Montgomery Burns in mir irgendwie auch Vergnügen bereitet, zu sehen, wie die Leute aneinander rasseln."

"Ich hab' doch auch keine Ahnung, was das soll!" (Nicht alles muss unbedingt einen Sinn haben, findet Sven Kabelitz)

Das tun sie tatsächlich: Über zweitausend Menschen verfolgen die Abstimmungen inzwischen. In einer zugehörigen Facebook-Gruppe palavert der harte Kern, immer noch mehr als zweihundert Musiknerds, über im engeren, weiteren oder sehr weiten Sinne mit dem Turnier in Verbindung stehende Themen.

In den Kommentarspalten herrscht munteres Hauen und Stechen. Wenn zwei Alben aus komplett gegensätzlichen Genres gegeneinander antreten, etwa "Das ist nicht die ganze Wahrheit" von Die Ärzte gegen "For Sale" von den Beatles, heißt es: "Unfair, das lässt sich doch gar nicht vergleichen! Wie kannst du nur?!" Sind die Kontrahenten einander zu ähnlich, wie in den Kopf-an-Kopf-Rennen von Rage Against the Machine gegen The Prodigys "Fat Of The Land", oder wenn sich Metallica mit "... And Justice For All" gegen "No Sleep 'Til Hammersmith" von Lemmys Motörhead behaupten müssen: "Unfair, da fliegt ja viel zu früh ein Klassiker raus. Wie kannst du nur?!"

    2048 Alben treten in den Ring

    © Sven Kabelitz

    Kein Ranking!

    Kabelitz bewahrt die Ruhe. Sein Turnier ermittele ja kein Ranking, erklärt er gebetsmühlenartig wieder und wieder. Am Ende stehe lediglich ein (!) Siegeralbum fest. Das müsse sich, so es den Titel "The Greatest Album Of All Time" wirklich verdient hat, zu jedem Zeitpunkt des Turniers gegen jedes beliebige andere Werk durchsetzen können. Außerdem: "Es ist ein Spiel. Es soll Spaß machen. Es bietet aber auch die Chance, einmal ganz ohne Vorgaben irgendwelcher Fachleute das größte Album von allen zu küren."

    ... wobei das mit dem "ganz ohne Vorgaben" dann doch auch wieder nicht stimmt, wie die Erfahrung lehrt: "Die Tendenz zeigt doch, wie sich der von den Magazinen über Jahrzehnte hinweg geschulte Geschmack durchsetzt", so Kabelitz. "Neue Sachen gehen oft unter. R'n'B oder Soul haben nicht den Hauch einer Chance gegen Althergebrachtes wie die Beatles, Pink Floyd oder Bowie."

    Wahlkampf, Baby!

    Wem das nicht passt, der muss Maßnahmen ergreifen. Welle machen für seinen Favoriten. Fangruppen mobilisieren. Wahlkampf, Baby! Erst kürzlich rief ein User zur Unterstützung seines Lieblings "Meddle" eine spanische (!) Pink Floyd-Fancommunity auf den Plan: In so einem Fall stimmen dann schon einmal sechshundert Leute mehr ab als sonst. Die Leidtragenden in diesem Fall hießen Queen, deren Konkurrenzalbum, "A Night At The Opera" das Nachsehen hatte. "Unfair", krakeelen dann natürlich die Unterlegenen. "Wie kannst du nur?!" Aber zum einen kennt man das ja bereits, zum anderen: Die Möglichkeit, Außenstehende zum Abstimmen zu bewegen, steht ja jeder und jedem offen, ist sogar ausdrücklich erwünscht. "Spiel verstanden", kommentiert derlei Aktionen der Quizmaster.

    Mit den richtigen Maßnahmen lässt sich dann auch die oft unüberwindbar wirkende Favoritenstellung von Pink Floyd knacken. Eigentlich schien Hüsker Düs "Zen Arcade" gegen "Wish You Were Here" schon aus dem Feld geschlagen, als sich, angeführt von Bassist Greg Norton, die Urheber selbst einschalteten. "You all know how I like to get out the vote", ließ Norton seine Fans wissen und schickte sie zahlreich zur Abstimmung. Eine Stunde genügte, um das Spiel zu drehen: Am Ende des Votings standen 59 Prozent der Stimmen für Hüsker Dü zu Buche.

    Vor wenigen Tagen ging der Wettbewerb in die zweite Runde. Wenn Kabelitz die aktuelle Schlagzahl beibehält und keine unvorhergesehenen technischen Probleme auftreten, steht das Gewinneralbum irgendwann Anfang 2020 fest. "Wahrscheinlich werde ich gegen Ende das Tempo noch einmal etwas herausnehmen", überlegt er allerdings noch. "Irgendwann werde ich wohl nur noch zwei, und etwa ab dem Achtelfinale nur noch eine Abstimmung am Tag online stellen." Es bleibt also noch ein bisschen spannend und, ja! Ihr könnt immer noch ins Turnier einsteigen.

    Einschalten! Mitbestimmen!

    Was hat das alles mit laut.fm zu tun? Nun: Es gibt das Projekt inzwischen auch als Radiosender. Songs aus allen (!) 2.048 teilnehmenden Alben laufen rund um die Uhr in der Rotation von laut.fm/the-greatest-album-of-all-time, grob sortiert nach Genres, damit das Programm nicht vollkommen konfus klingt. "Der Sender soll einfach noch einmal vorführen, was alles im Spiel war und teils noch ist, und die Möglichkeit bieten, Musik und Interpreten kennenzulernen, die man vorher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatte." Das funktioniert, wie die Reaktionen beweisen: "Wunderbar", freut sich ein Hörer. "Ich habe bis jetzt schon so Einiges durch diesen Spaß entdeckt."

    Deswegen: Einschalten!
    Und: Mitbestimmen!

    Nur wer zur Wahl gegangen ist, hat hinterher das Recht, über das Ergebnis zu maulen.

      Mach mit!

      Sven Kabelitz freut sich über die vielen Teilnehmer bei seiner Abstimmung. Und ist gespannt auf das Ergebnis.
      © Sven Kabelitz

      ... und jetzt geht hin und werft dieses furchtbare Blumfeldalbum aus dem Wettbewerb, das da irgendwie die dritte Runde erreicht hat. Warum, wissen die Götter. Und seht zu, dass am Ende kein Beatles-Album gewinnt. Wie zopfig wäre das? Vor allem wäre es eure Schuld. Ihr habt sie nämlich in der Hand - die Wahl zum Greatest Album Of All Time.

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